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Ein Bericht von Olga Leonhardt
Frisch nach meinem Pädagogik Studium in Augsburg, stand ich im März 2010 in dem Büro von Raimund Marz – dem Geschäftsführer der Vereine Africachild und „Eltern für Afrika“ – und fragte ihn, ob ich sein neues Projekt in Kenia besichtigen darf. Als Diplom-Pädagogin interessiert mich die Sozialarbeit in Afrika und im Oktober 2010 war es dann soweit. Für drei Wochen reiste ich an den Indischen Ozean, genauer gesagt nach Ukunda (Diani Beach).
Das Projekt „A Village for Young Mothers“ wurde gegründet, um jungen Müttern in Not zu helfen. Das Projekt soll einerseits verhindern, dass Kinder abgetrieben, ausgesetzt oder getötet werden, was häufig Folgen der Armut sind. Andererseits sollen die Mütter ausgebildet und in die Lage versetzt werden sich eigenständig, um ihre Kindern kümmern zu können.
Zusammen mit Salama Ondicho, einer kenianischen Sozialarbeiterin besuchte ich einige der jungen Mütter, die ab Januar 2011 in das Dorf einziehen wollen. Sie sprachen mit uns über ihre Probleme und die Umstände, durch welche sie in eine Notlage gelangt sind. Drei der jungen Mütter würde ich gerne hier vorstellen.
KAGEA – eine der jüngsten Mütter, die ich kennen gelernt habe – hat auf mich einen nervösen und gleichzeitig niedergeschlagenen Eindruck gemacht. Die Sozialarbeiterin und ich haben das Mädchen in ihrem Zuhause besucht und mit ihr gesprochen. Sie ist 17 Jahre alt und hat einen 5 Monate alten Sohn namens Daniel. Kagea hat uns berichtet, dass sie von einem Lehrer vergewaltigt wurde und schwanger geworden ist. Aufgrund der Schwangerschaft war sie gezwungen die Schule abzubrechen. Sie lebt nun im Haus ihrer Mutter mit zwei weiteren Schwestern und einem Bruder. Die Mutter und die Geschwister lehnen sie und ihren Sohn ab. Sie geben ihr die Schuld dafür, dass sie vergewaltigt wurde und der Mann sie anschließend verlassen hat. Sie leidet sehr darunter, dass ihre Familie sie ablehnt. Sie fühlt sich isoliert, verwirrt und weiß keinen Ausweg. „Ich würde lieber auf der Straße leben als in diesem Haus, aber ich muss hier bleiben für meinen Sohn“, so Kagea. Jeden Tag verlässt sie das Haus für mehrere Stunden, verbringt die Zeit auf der Straße und vermeidet auf diese Weise im Haus ihrer Mutter zu sein. Sie wünscht sich, in die Schule gehen zu dürfen und später Krankenschwester oder Polizistin zu werden. Trotz der Vergewaltigung lehnt Kagea das Kind nicht ab, sondern wünscht sich eine gute Zukunft für ihn. Hierfür braucht sie nicht nur finanzielle, sondern auch seelische Unterstützung.
Die junge Mutter SUE ist 21 Jahre alt und hat zwei Kinder – ein siebenjähriges Mädchen und einen fünfjährigen Sohn. Bei unserem Besuch war Sue sehr ruhig und zurückhaltend. Die Sozialarbeiterin musste für mich übersetzen, da Sue nur drei Jahre lang die Schule besuchte und daher kein Englisch spricht. Sie selber hat sehr früh ihre Eltern verloren und musste bei Verwandten aufwachsen. Ihre Kinder sind von verschiedenen Vätern. Beide Männer starben jedoch in den Stammeskämpfen, welche bis vor zwei Jahren in Kenia wüteten. Zwei Wochen vor unserem Besuch verlor Sue ihr Haus nach einem Brand. Sie wohnt nun mit ihren Kindern in einem winzigen Zimmer. Die kleine Familie besitzt nichts außer einer Matratze und einigen Kleidern. Bekannte raten Sue, ihre Kinder wegzugeben und arbeiten zu gehen. Zurzeit wird sie von einer Nachbarin unterstützt, welche der jungen Mutter ein Zimmer und Essen zur Verfügung stellt. Im Gegenzug putzt und kocht Sue für die Nachbarin. Zurzeit geht nur ihr Sohn in die Schule, für die Tochter reicht das Geld für die Schulgebühren nicht. Wichtig für Sue wäre eine Ausbildung bzw. das Erlernen der englischen Sprache. Auf diese Weise hätte sie die Möglichkeit, in den umliegenden Hotels eine Anstellung zu bekommen.
SHARON ist 19 Jahre alt und ist bereits Mutter von vier Kindern. Im Alter von 12 wurde sie von ihrem Stiefvater an einen Mann verkauft, welcher sie vergewaltigt und geschwängerst hat. Ihre älteste Tochter ist inzwischen sieben Jahre alt. Als dann Sharon 15 Jahre alt war wurde sie von ihrem damaligen Freund geschwängert und anschließend verlassen. Die junge Mutter bekam Zwillinge – ein Mädchen und einen Jungen – welche heute 5 Jahre alt sind. Vor drei Monaten bekam sie ein weiteres Mädchen. Da der Vater des Kindes der Vaterschaft nicht zugestimmt hat, verließ er Sharon. Salama Ondicho traf Sharon obdachlos und hochschwanger vor ihrem Büro in Ukunda. Zu dieser Zeit stand die junge Mutter wenige Wochen vor der Geburt ihres letzten Kindes. Die Sozialarbeiterin konnte der verzweifelten Sharon mit Hilfe des Geschäftsführers von Youngs Mothers Kenya Raimund Marz helfen.
Ich traf Sharon in ihrer 1-Zimmer-Wohnung. Hier lebt sie zusammen mit ihrem Baby. Sharon ist ein fröhlicher und aufgeschlossener Mensch. Sie hatte nie die Möglichkeit eine Schule zu besuchen, spricht jedoch gut englisch. Ihr größter Traum ist es, ihre anderen drei Kinder, welche zurzeit beim Stiefvater leben, zu sich zu holen. Durch die Aufnahme im Projekt hätte sie die Chance, mit ihren Kindern zusammenzuleben.
Diese Mütter haben von der Regierung nur wenig bis gar keine Hilfe zu erwarten. Sie kämpfen um ihre Existenz und es geht um Grundbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung und eine Unterkunft. Wichtige Voraussetzung um diese Bedürfnisse stillen zu können, ist Bildung. Lesen, Schreiben sowie die Beherrschung der englischen Sprache erhöhen die Chancen der Mädchen auf eine Anstellung. „A Village for Young Mothers“ ist ein Projekt, welches genau das ermöglichen kann. Die Sozialarbeiter in Kenia haben weniger Handlungsmöglichkeiten als wir Sozialarbeiter in Deutschland. Da es in Afrika kein funktionierendes soziales Netzwerk gibt, welche solche Frauen auffängt und unterstützt, werden Hilfsprojekte wie das Dorf für die jungen Mütter dringend gebraucht.